Michael Pietsch ist Horterzieher. Ich habe ihm sechs Fragen rund um die medienpädagogische Arbeit im Hort gestellt. Hier verrät er, inwieweit digitale Medien im pädagogischen Alltag zum Einsatz kommen, welche Projekte er bisher umgesetzt hat und was Pokémon damit zu tun hat.

Welche digitalen Medien setzt du im pädagogischen Alltag ein?

Derzeit nutze ich vor allem mein eigenes Smartphone mit Spotify, inklusive Bluetooth-Box. Es kommt oft vor, dass die Kinder gern ein Spiel spielen wollen, bei dem Musik benötigt wird. Und sei es nur, um ein wenig zu tanzen. Da hilft mir das sehr.

Außerdem verwende ich mein Smartphone, um den Kindern ein authentisches Vorbild zu sein. Wenn ich etwas nicht weiß, suche ich im Internet nach Informationen. Ich habe mein Smartphone auch schon genutzt, um mit den Kindern gemeinsam, in kleinen Gruppen, Pokémon Go zu spielen. Aber auch in Ruhepausen wird schon mal das ein oder andere Hörspiel angemacht. Teilweise wird das sogar von den Kindern eingefordert.

Ich nutze sehr häufig auch Mikrofone. Wir nehmen jährlich an der ARD Kinderradionacht teil. Dort entstehen immer mit den Kindern kleinere Hörspiele beziehungsweise auch kleine eigene Radiosendungen. Ein großes Hörspiel für den Sächsischen Kinderkunstpreis haben wir auch schon gemeinsam produziert. Die Kinder sollen auf diese Weise herausfinden, wie ihre Stimmen klingen. Und wenn das Mikrofon ausreichend erkundet wurde, dann beginnt die Projektarbeit. Oder kleinere Aktionen wie beispielsweise eine akustische Schnitzeljagd, selbst produziert von den Kindern.

Ich besitze privat eine Wii U inklusive Zubehör. Da ich diese zu Hause nicht mehr nutze, habe ich sie kurzerhand mit auf Arbeit genommen. Die Kinder spielen regelmäßig damit und lernen, sich abzusprechen. Sie stimmen ab, welche Spiele gespielt werden sollen, wer wann dran ist und so weiter. Ich nutze die Wii U sozusagen auch als ein Mittel für kleine basisdemokratische Vorgänge.

Eine Digitalkamera verwende ich auch. Sowohl zur normalen Dokumentation als auch für Videoaufnahmen. Allerdings scheue ich mich noch etwas, diese konkret zu nutzen, wegen des Datenschutzes. Auch die Kinder dürfen den Umgang erlernen, um Fotos selbst zu machen.

Welche Projekte hast du mithilfe von digitalen Medien konkret realisiert?

Wir haben am Sächsischen Kinderkunstpreis teilgenommen. Es ging um das Thema „Trau dich“ und die Kinder haben gemeinsam die Idee für das Skript geliefert. Dann habe ich ein kleines „Tonstudio“ eingerichtet und die Aufnahmen gemacht. Das war eine tolle Erfahrung. Das Hörspiel ist sogar freigegeben für eine Veröffentlichung im Internet, allerdings muss das über die Seite meiner Einrichtung geschehen und die ist gerade im Aufbau.

Eine akustische Schnitzeljagd (meist in den Ferien als separates Angebot) mit den Mikrofonen läuft so ab, dass die Kinder eine kurze Einweisung bekommen. Dann gehen sie in kleinen Gruppen los und beschreiben in kurzen Takes ihren Weg. Anschließend bekommt eine andere Gruppe die Aufnahmen und muss den Weg abgehen. Am Ende findet sich dann immer ein kleiner Schatz.

In der Zukunft möchte ich mit den Kindern ein Podcastprojekt beginnen. Also richtig mit Veröffentlichung und so weiter. Inklusive kleinem journalistischem Hintergrund. Kleinere Podcasts habe ich schon einmal aufgenommen, die existieren aber nur auf CD in unserer Einrichtung.

Für die Wii U gibt es einen festgelegten Tag in der Woche, an dem die Kinder die Möglichkeit haben, Spiele zu spielen. Zurzeit sind Pokémon Tekken, Nintendo Land und Wii Sports sehr beliebt, aber auch das Flaschendrehspiel Spin the bottle. Dort ist eine tolle Verknüpfung von Bewegung und digitalen Medien vorhanden!

Ein großes Projekt, das medientechnisch sehr vielfältig ist, ist unser Pokémon-Projekt. Seit gut sechs Jahren gibt es dieses in unserer Einrichtung. Hier können die Kinder mit den Karten spielen, sich austauschen und es wird auch ab und an ein Film geschaut. Ich habe auch schon Live-Veröffentlichungen mit den Kindern geschaut, wenn es eine große Ankündigung gab. Durch dieses Projekt haben alle dasselbe Interesse und kommen von der 1. bis zur 4. Klasse in Kontakt. Dafür existiert auch eine pädagogische Planung, angelehnt an den Sächsischen Bildungsplan. Im Zuge dessen wurde auch Pokémon Go mit den Kindern gespielt. Auch hierfür gibt es eine konkrete Planung, weshalb wir das machen.

Ist der Einsatz von digitalen Medien fest in den pädagogischen Alltag integriert?

Im Großen und Ganzen ja: Die Musik ist immer ein Thema. Bei Spotify existiert eine Playlist nur für die Arbeit. Und die wird immer mal wieder rausgeholt. Kameradokumentation ist natürlich immer angedacht. Und auch die Wii U ist wöchentlich in Gebrauch. Ansonsten meist eher situativ beziehungsweise projektbezogen. Und vor allem auch immer in pädagogischer Begleitung.

Meine Kinder sind in der 4. Klasse und auch wenn viele schon erzählen, dass sie ein Smartphone etc. haben, so bin ich der Meinung, dass eine sinnvolle Begleitung und Nutzung der digitalen Medien wichtig sind. Dass bei der Wii U nicht immer nur einer spielt, sondern sich abgewechselt wird. Dass die medienfitteren den weniger versierten Kindern helfen. Letztlich fließt dort auch viel soziale Bildung mit ein und auch ein gewisser Respekt vor dem Wert der digitalen Medien. Denn so eine Digitalkamera und ein Mikrofon kosten schon einiges. Und vor allem auch ein Computer beziehungsweise Laptop, weswegen wir leider so etwas nicht für den Alltag der Kinder besitzen.

Wie ist die Haltung deiner Kolleg:innen zu digitalen Medien in der Einrichtung?

Das ist sehr verschieden. Und ich will da gar nicht anfangen mit „Männer sind so, Frauen sind so“ – das stimmt bei uns nicht. Auch vom Alter her ist es unterschiedlich. Viele ältere Kolleg:innen wollen trotzdem noch wissen, wie ein Excel funktioniert oder Word. Oder wie man das mit dem Mikrofon macht. Andere wiederum wollen nichts davon wissen. Ältere wie jüngere. Mann wie Frau.

Anfangs wurde man natürlich für Projekte wie Pokémon oder Wii U belächelt. Allerdings hat sich das gelegt, da auch nun die Chancen erkannt werden. Und es ist weithin akzeptiert. Das Neue muss eben leider immer erkämpft werden in gewisser Weise. Und natürlich kommt auch mal Kritik. Einer der häufigsten Sätze ist: „Na, das haben die doch aber alle zu Hause, da brauchen wir das nicht auch noch.“ Und da muss ich vehement widersprechen. Nicht jeder hat alles zu Hause. Und vor allem hat nicht jeder eine sinnvolle pädagogische Begleitung. Nur weil ein Kind weiß, wie man Spiele irgendwo spielt, würde ich es noch lange nicht als medienkompetent bezeichnen. Ohne Regeln und Leitlinien geht es meiner Meinung nach nicht.

Eine Kollegin ist auch immer eifrig dabei, mir Zeitungsausschnitte über die aktuelle Lage der digitalen Medien zuzustecken. Das ist wirklich ganz interessant. So bleibe ich auch auf dem neuesten Stand. Allerdings sind diese Artikel meist so gestrickt, wie schlimm Medien für Kinder sind. Es gibt natürlich berechtigte Kritik. Aber da können ja die Medien nichts dafür. Dazu müssen kompetente Kinder her. Viele ältere Kolleg:innen hatten nicht die Chance wie ich, mit digitalen Medien aufzuwachsen. Daher müssten sie sich das aneignen. Und wer hat bei so einem weitläufigen Thema schon Lust darauf?

Es braucht aber kompetentes Personal UND kompetente Eltern, damit die Kinder lernen können, mit Medien umzugehen. Was früher vielleicht ein Pflanzenbestimmungsbuch für den Wald war, kann heute eine App sein, mit der man Pflanzen fotografiert und dann bestimmen kann. Diese Vorteile müssen auch erst erkannt werden. Eine Kollegin war bei einer Wanderung hellauf begeistert, als wir einen Weg gegangen sind, den sie nicht kannte und den sie wunderschön fand. Den Weg konnte ich nur finden, weil ich die App Komoot nutzte. Seitdem ist sie nicht mehr ganz so negativ gegenüber digitalen Medien eingestellt.

Welche Chancen siehst du in Bezug auf Medienpädagogik in der pädagogischen Praxis?

Das große Ziel von Erziehung ist es ja, Kinder gesellschaftsfähig zu machen. Das klingt seltsam. Aber ich meine damit, dass die Kinder selbstständig reflektieren lernen, selbst nachdenken lernen und sich auch fähig fühlen, Dinge zu hinterfragen und gegebenenfalls nachzurecherchieren. Und gerade die Fülle an digitalen Medien ist da eine große Hilfestellung. Allerdings müssen die Kinder entsprechend kompetent werden, diese auch zu nutzen. Sowohl für den Gebrauch der Informationsbeschaffung als auch, um ein Gefühl zu entwickeln, wann man von digitalen Medien Abstand nehmen sollte. Gerade in diesen Zeiten, in denen einem die Informationen so um die Ohren fliegen. Das ist selbst für Erwachsene, und da nehme ich mich nicht raus, sehr schwer. Aber auch, wenn man zu lange gespielt hat. Eine Mischung zu finden.

Zu Hause darf jedes Elternteil natürlich entscheiden, wie viel die Kinder konsumieren dürfen. In der Einrichtung möchte ich aber aufzeigen, wie man auch anders mit Medien umgehen kann. Es wird in der Zukunft nicht weniger digitale Medien geben, sondern eher mehr. Und darauf müssen Kinder zwingend vorbereitet werden. Auf alle Vorteile, aber auch auf alle Gefahren, die das mit sich bringt. So wie man grundlegende Dinge wie das Laufen oder das Essen mit Messer und Gabel lernen muss, so muss man meiner Ansicht nach auch lernen, mit digitalen Medien umzugehen.

Und wenn man Medien mit Bewegung kombinieren kann, dann finde ich das persönlich noch viel besser: mit Pokémon Go, Spin the bottle, Stopp-Tanz und akustische Schnitzeljagd zum Beispiel.

Hat sich der Einsatz von digitalen Medien im pädagogischen Alltag während der Pandemie verändert?

Ich würde behaupten, dass sich wenig verändert hat. Als wir in der Notbetreuung waren, konnten wir ein wenig mehr mit wenigen Kindern gestalten. Da hat man dann die Zeit. Zum Beispiel haben wir ein Schattentheater als Video inklusive Nachvertonung und allem erstellt. Das war sehr spannend, den Kindern dabei zuzusehen, wie so etwas produziert und geschnitten wird. Im jetzigen eingeschränkten Regelbetrieb, wo trotz allem die Gruppe wieder voll ist, bleibt da für tiefgreifende Arbeiten wenig Zeit.

Allerdings habe ich der Gruppe zu Weihnachten ein Kinder-Tablet organisiert, welches jetzt in der Erprobungsphase ist. Und auch dort haben wir schon einen kleinen Mini-Film als Stop-Motion mit der kostenlosen App „Stop Motion Studio“ erstellt. Diese App habe ich in einer Weiterbildung Anfang des Jahres kennengelernt. Aber das kann ich auch nicht jeden Tag machen, dazu sind die Interessen (vielleicht auch zum Glück) sehr verschieden und natürlich hat das Ganze einen gewissen Zeitfaktor, der die Arbeit nicht immer zulässt. Aber ich tue, was ich kann!

 

Vita:

Mein Name ist Michael Pietsch, ich bin 32 Jahre alt und Horterzieher im schönen Dresden. Dort betreue ich Kinder im Alter von 6 bis ca. 11 Jahren. Das Thema Medienpädagogik ist dort fast allgegenwärtig – und sei es nur, dass die Kinder von den neuesten Trends erzählen oder welche Apps gerade interessant sind. Damit beschäftige ich mich zum Teil auch privat, weswegen ich mit den Kindern auf einer Ebene sein kann. Neben meiner Arbeit als Erzieher produziere ich noch einen Podcast für den Malteser Hilfsdienst in Dresden, die „Malteserblicke“ www.malteserblicke.podigee.io. Mein Leben besteht aber nicht nur aus Arbeit. Ich bin verheiratet, habe 2 Kinder und in meiner Freizeit bin ich eigentlich sportlich im Fußball aktiv, wenn es denn da nicht eine Pandemie gäbe.

Foto: privat