Kinder und Studium: Im Gespräch erzählt Studentin und Mutter zweier Kinder Charlotte Kohler, welche Erfahrungen sie gemacht hat, von den Auswirkungen der Pandemie auf das Studium und was sie sich für die Vereinbarkeit von Familie und Studium wünscht.
Wie ist deine Situation im Moment?
Ich studiere aktuell mit zwei Kindern. Den Großen habe ich vor dreieinhalb Jahren während des ersten Semesters meines Masterstudiums Wirtschaftspädagogik und Geschichte an der Uni Leipzig bekommen. Ende April des vergangenen Jahres wurde noch meine kleine Tochter geboren. Ich hatte schon länger den Wunsch, Kinder zu bekommen. Aber es war dann eine Überraschung und eine große Umstellung für das Studium. Meine Erwartungshaltung, was man so alles schaffen kann, hat sich geändert.
Was genau hat sich verändert?
Vor allem die Flexibilität. Ich habe das Gefühl, dass im Studium von mir erwartet wird, relativ flexibel zu sein, weil man neben den Veranstaltungen noch viel Zeit investieren muss. Das war schon vor den Kindern aufgrund von verschiedenen Nebenjobs problematisch. Aber mit Kindern hat das eine andere Dimension, weil ich meine Zeiten nicht einfach anpassen kann. Ich bin immer Mama und das kann ich nicht einfach verschieben.
Wie sind die Dozierenden damit umgegangen? Gab es Situationen, in denen sie dir entgegengekommen sind?
Da habe ich verschiedene Erfahrungen gemacht. In der Wirtschaftsfakultät sind die Dozierenden und Strukturen sehr unflexibel, weil zum Beispiel die Veranstaltungen mit etwa 40 bis 50 Studierenden relativ groß sind. Es gibt auch nicht so viele Studierende mit Kind an der Fakultät, das heißt, diese anderen Bedürfnisse sind einfach nicht so präsent. In meinem Zweitfach Geschichte habe ich hingegen gute Erfahrungen gemacht: Wenn ich Prüfungsleistungen verschieben musste oder nicht am Seminar teilnehmen konnte, waren die Dozierenden verständnisvoll und zuvorkommend. Dort studieren allerdings mehr Eltern, also bekommen die Dozierenden viel mehr mit, dass es Studierende gibt, die kleine Kinder haben.
Wie organisierst du die Kinderbetreuung, wenn du an einem Seminar teilnehmen musst?
Ich habe keine Familie vor Ort, weder meine Eltern noch Schwiegereltern, nur meinen Mann. Er hat beim ersten Kind relativ viel Elternzeit genommen und in Teilzeit gearbeitet. Dann haben wir das so geplant, dass ich wenigstens zu ein paar Seminaren hingehen konnte. Ansonsten war es so, dass das Kind mit acht Monaten im Uni-Kinderladen eingewöhnt wurde. Da war es dann dreimal pro Woche für jeweils drei Stunden. Das habe ich so gelegt, dass sich das mit meinen Seminaren überschneidet. Mit einem Jahr kam mein Sohn zu einem Tagesvater, sodass ich ein paar Semester studieren konnte.
Bei der Kleinen ist das alles ein bisschen anders. Das liegt natürlich auch an der Corona-Situation. Aber wir sind auch umgezogen und wohnen nicht mehr in Leipzig. Deswegen haben wir die Option mit dem Kinderladen nicht und sie wird voraussichtlich mit eineinhalb Jahren in die Krippe gehen. Dieses Mal werde ich auch länger aussetzen – ungefähr ein Jahr, weil ich das nicht anders organisiert bekomme. Denn beide Kinder sind zu Hause und ich habe nur noch abends Zeit.
Mit dem Kinderladen hast du das Angebot der Uni genutzt – konntest du noch andere unterstützende Angebote der Uni wahrnehmen?
Noch in der Schwangerschaft habe ich mich beim Studentenwerk zum Thema Studienfinanzierung beraten lassen. Rege genutzt haben wir das Angebot des Kindertellers in den Mensen und die Spielecken. Das Eltern-Kind-Lernzimmer ist auch eine gute Idee, aber es lag nicht in meiner Nähe, deswegen war das für mich keine attraktive Option. Das mit dem Kinderladen war für uns ein Glücksgriff, weil das flexibel und kostenfrei ist. Man muss sich allerdings lange im Voraus anmelden und darf nicht beurlaubt sein.
Was würdest du dir für die Vereinbarkeit von Familie und Studium wünschen?
(lacht) Ja, was würde ich mir wünschen? Das fängt schon bei so einfachen Dingen an wie Modulzulassungen: Bei uns im Master haben wir wenige Pflichtmodule, aber viele Wahlmodule, von denen man eine bestimmte Anzahl belegen muss. Das wird nach einem intransparenten Verfahren zugeteilt – man kann als Studierende mit Kind nicht sagen, dass man nur in einer bestimmten Zeitspanne kann. Für mich ist es ungünstig, wenn ich Module zugeteilt bekomme, die zum Beispiel von 17.15 bis 18.45 Uhr stattfinden. Daher wäre es sehr schön, wenn es die Möglichkeit einer Art Sondereinschreibung für Studierende mit Kind gäbe. Es gibt nicht viele Studierende mit Kindern, deswegen würde es auch nicht so viele Seminarplätze blocken.
Aber das ist oft so, wenn es über automatische Systeme läuft und kein Mensch dahinter sitzt, dem man sagen kann: Ich habe dieses und jenes Anliegen. Man könnte sagen, dass das gerechter ist, weil so die Regeln für alle gelten. Aber dieses System schließt auch eine bestimmte Gruppe aus, die spezielle Bedürfnisse hat, was zum Beispiel die Zeitplanung angeht.
Ansonsten würde ich mir wünschen, dass es wesentlich mehr Kitaplätze an der Uni gäbe. Die Uni Leipzig hat zwar ein paar Kitas, aber es sind viel zu wenig Kontingentplätze für Studierende mit Kindern. Wir haben für den Großen keinen Kitaplatz bekommen und sind deswegen auf Tagespflege umgestiegen. Ich weiß, dass es an anderen Unis so etwas wie eine Babysitterbörse beziehungsweise flexible Kinderbetreuungsmöglichkeiten gibt, die von der Uni organisiert werden. Die könnte man beispielsweise in Anspruch nehmen für Praktika, die zu bestimmten Zeiten geleistet werden müssen. Oder für Klausuren, die meist im Sommer – also während der Kitaschließzeit – geschrieben werden müssen. Diese Flexibilität, die von Studierenden abverlangt wird, ist für Studierende mit Kind schwierig. Da wäre es schön, wenn das von einem Betreuungspool aufgefangen werden könnte.
Mehr Wickelmöglichkeiten in den Fakultäten wären außerdem wünschenswert – und zwar nicht nur auf der Damentoilette, sondern auch auf der Herrentoilette. (lacht) Ich könnte mich sehr darüber aufregen.
Es gibt auch Sachen – im Zuge von Corona –, die durchaus positiv sind, dass Vorlesungen zum Beispiel aufgezeichnet oder digital gestreamt werden. Das ist eine gute Möglichkeit, wenn ein Kind krank ist, um trotzdem an der Veranstaltung teilnehmen zu können. Denn man verpasst schon viel und kann das nicht einfach mit Unterlagen nacharbeiten. So ein Angebot schafft dann auch mehr Flexibilität für Studierende mit Kind.
Grundsätzlich wünsche ich mir mehr Verständnis von Dozierenden und dass sie flexibler auf die Situation von Studierenden mit Kind reagieren, weil diese auf ihr Entgegenkommen angewiesen sind, wenn es beispielsweise Abgabefristen oder die Organisation von Prüfungsleistungen betrifft.
Oder auch Ersatzleistungen?
Ja, sowas auch.
Was machst du eigentlich, wenn du mal nicht studierst oder dich um deine Kinder kümmerst – also in deiner Freizeit?
In Zeiten vor Corona war ich einmal die Woche beim Bundessport mit einer Freundin. Das war eine sehr wertvolle Auszeit für mich – mal ohne Kind und mit netter Begleitung. Ansonsten Gassigehen mit dem Hund und so klassische Hobbys: Ich komme zwar aktuell nicht dazu, aber ich backe sehr gerne und mache Handlettering. Ich bin also gerne auch kreativ, aber Netflix und die Couch tun es auch. (lacht)
Foto: privat